© Nicole Peters
Atelier Peters
für soziales Wirken der Kunst
Ist die Schule ein Gewächshaus?
„Ist Schule ein Gewächshaus?“, Breite 352 cm x Höhe 203 cm, Acryl auf Aludibond,
2015
Im Zuge des Mensabaus an der Schillerschule Lahnstein vergab die Stadt Lahnstein
den Kunst-am-Bau Auftrag an Nicole Peters. Gewünscht war eine
Auseinandersetzung mit dem Namensgeber der Schule.
Wie für Peters Kunst-am-Bau-Arbeiten typisch wollte sie die Kinder der Schule in
den Entstehungsprozess mit einbeziehen. Bei näherer Auseinandersetzung mit
Schiller merkte sie, dass Schillers Sprache und seine Dramen über Liebe,
Leidenschaft, Freiheitsdrang, Intrige und die Lebenswirklichkeit von 6-10 jährigen
Kindern doch sehr weit auseinander liegen. Diesen Spagat löste sie, indem sie mit
den Kindern zu Fotos von zeitgenössischen Aufführungen Schillers Dramen an
deutschen Bühnen zeichnete. Die Zeichnungen verblüffen, geben sie doch die auf
den Bühnen dargestellten Emotionen von Wut, Bedrohung, Unzufriedenheit, Stolz,
Stärke, Traurigkeit, Zärtlichkeit und Leidenschaft sehr gut wieder. Sie zeigen Figuren
aus Schillers Stücken wie Johanna von Orleans, Wilhelm Tell und sein Sohn,
Königin Elisabeth und Maria Stuart, diverse Räuber und Räuberinnen, verliebte und
verzweifelte Paare aus Kabale und Liebe, sich küssende Paare, Wallenstein
4 Tage zeichnete Peters mit allen Schülern der 13 Klassen der Schillerschule. Von
23 Schülerinnen und Schülern aus allen 4 Jahrgangsstufen integrierte sie
Zeichnungen in das Werk.
Das 3,52m breite und 2,03m hohe Bild zeigt ein geöffnetes Gewächshaus (Venloer
Bauweise). Kinder bemalen das große Tor. Im Eingangsbereich des
Gewächshauses bemalen weitere Kinder eine Bildfläche. Ein Junge holt eine
gemalte Figur aus dem Bild heraus und lässt somit im übertragenen Sinn sein
Phantasie lebendig werden. Die Figuren werden wie Plastiken im Raum weiter
bemalt, werden zum Gegenüber, welche mit ihren Schöpferinnen kommunizieren.
Die Figuren beginnen ein Eigenleben, erobern eine Podest welches zur Bühne wird.
Aufgeführt wird Johanna von Orleans. Wie bei heutigen Aufführungen üblich wird
auch hier statt Bühnenbild mit einer Projektion gearbeitet. In diesem Fall ein Portrait
Schillers, riesengroß. (Hängt das Bild an seinem Bestimmungsort, wird Schiller den
Erwachsenen, der das Schulgebäude betritt, direkt in die Augen blicken.)
Aber alles kann für die Figuren der Kinder zur Bühne werden: der Rasen für Wilhelm
Tell, der Raum unter der Stehleiter, die Säulen des Gewächshauses.
Liest man das Bild von links nach rechts, so kann man im Fall von Johanna den
Dreiklang von These – Antithese und Synthese erkennen: Auf dem Tor steht
Johanna selbstbewusst im weißen Kleid, das Schwert in der Hand in der
Gewissheit, damit die Freiheit zu verteidigen. Auf der Bühne erkennt Johanna
schmerzlich, dass der Weg die Freiheit mit dem Schwert zu erobern der falsche ist.
Auf der Rechten Gewächshauswand schaut Johanna wieder entschlossen und
ernst. Ihr Schwert hat sie gegen Stifte ausgetauscht. Als Symbole für
Meinungsfreiheit und Bildung sind dieses die passenden Mittel, die Freiheit zu
verteidigen.
Und das Gewächshaus? Gewächshäuser sind Orte, die Pflanzen optimale
Wachstumsbedingungen von Schutz, Wärme, Wasser, Nährstoffen und Luft bieten.
Für die Kinder von Gewächshausbesitzern sind sie oft seit Generationen auch ein
Ort zum Spielen. Ist die Schule ein Gewächshaus, in dem Kindern die optimalen
Wachstumsbedingungen gegeben werden? Ein Ort, an dem Kinder zu freiheitlichem
Denken und sozialem Handeln erzogen werden? Die Frage wird nur jeder Beteiligte
immer wieder neu für sich beantworten können.